Die Bike-Bubble darf kein exklusiver Club sein!


Guten Tag zusammen. Seit einiger Zeit ist mir aufgefallen, dass auf so gut wie jeder Radveranstaltung, jedem Brevet, jedem Bikepacking-Event, auf dem ich bisher war, und auf so gut wie jeder Radveranstaltung, von der ich über Social Media erfahre, sich vor allem Torstens, Peters, Thomas, Klaus und Stefans treffen. Ab und zu ist mal eine Brigitte dabei. Die ist dann aber auch besonders exotisch. 

Können wir bitte darüber sprechen, wie weiß und männlich die Fahrrad-Bubble ist? Das zu verstehen ist mir in letzter Zeit ein Anliegen und zwei einfache Fragen erscheinen mir dafür wichtig:
Warum ist das so? und Muss das so sein?
Dies ist ein Text aus einer männlichen und weißen Perspektive …

Wenn wir über das Weißsein und Männlichkeit sprechen, dann geht es dabei um zwei große Themen: Geld und Zugänge.

Ich lebe in einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Soweit, so klar. Klar ist mir auch, dass Radfahren ein teures Hobby und somit ein Privileg ist. Ein Privileg derer, die es sich leisten können und wollen.  Gute Fahrradtechnik und Ausrüstung ist geil. Sie ist ein Teil meiner Faszination für Fahrräder. Aber sie ist zugegebenermaßen auch teuer. Damit sich mehr Menschen, auch zwar auch ohne des Gehalts einer Fachkraft, als Teil der Bike-Community fühlen können, muss sich etwas verändern.

Auf einem Billigrad vom Baumarkt hat niemand Freude. Stimmt. Aber es muss doch einen Mittelweg zwischen sehr billig und jenen Rädern geben, die sich an der Startlinie eines durchschnittlichen Rad-Events für „Jedermann“ (!)  finden.
In der Bike-Bubble dreht es sich nach meinem Geschmack ein wenig zu viel um neueste und exklusive Ausrüstung. Das ist dann zwar geil, aber zugleich auch sehr elitär.

Dabei ist doch das beste Rad dasjenige, auf dem man gerade sitzt, und nicht jenes, welches gerade auf ein noch besseres Anbauteil wartet. Während sich große Teile der Blogartikel, Social Media-Posts und Videos darum drehen, was uns die Fahrradindustrie neues unter die Nase hält und was wohl das Minimum an notwendiger Ausrüstung ist, vermisse ich zunehmend die DIY-Hacks, Tipps zur absolut ausreichenden Mittelklasse und oft auch den Mut, nicht immer das Teuerste zu präsentieren.

Radfahren ist teuer, stimmt. Aber nur, weil wir das so wollen. 
Um nicht nur über das Thema Geld zu sprechen, kürze ich hier ab. Viel zu lange könnte ich noch weiter referieren. Ein viel wichtigeres Thema ist der Faktor „Zugänge“. Man könnte es auch Barrieren nennen.

Wie zu Beginn angemerkt: Die meiste Zeit, ob im Netz oder beim Event, finde ich mich wieder unter Torsten, Peter, Thomas, Klaus und Stefan. Doch Gleichgesinnte zu treffen muss doch nicht heißen, sich nur unter seinesgleichen zu bewegen. Ich bin davon überzeugt, dass auch ein Kerim, Sharif oder eine Latifa ebenso große Freude am gemeinsamen Radfahren hätte wie unsereins. Ich bin an einem Punkt, an dem mir das mehr und mehr auffällt und an dem mich das immer mehr langweilt.

Wer keine Lust auf gemeinsames Radfahren hat, der muss es nicht machen. Kein Problem. Aber ich finde es sehr schade, wenn der- oder diejenige, der/die sehr wohl Lust hätte, sich aber nicht nicht traut sich einzuklinken, der Community verloren geht. 

Wenn ich mir vorstelle, ich sei eine Person of Color. Würde ich mich bei einem Brevet oder einem Bikepacking-Event anmelden, an dem ich sonst nur rosa Kartoffeln antreffe? Ich hätte zumindest Hemmungen. Diese Hemmungen will ich abbauen.

Dafür muss die Bike-Community an ihrer Außenwirkung arbeiten. Und sie muss denjenigen eine Bühne geben, die sich von den weißen Mittelstandsmännern  unterscheiden.

Wo sind unsere kilometerfressenden People of Color? Welche Geschichten haben die Kinder aus Migranten-Familien zum Thema „Long Distance“ oder „Gravel“ zu berichten? Diese Perspektive fehlt mir. Ganz im Ernst: Berichte von Erlebnissen auf dem Bike sind toll. Allerdings klingen sie oft auch sehr ähnlich.
Bitte heißt sie Willkommen, diejenigen Riderinnen und Rider, die unsere Community vielfältiger machen. 
Natürlich ohne diese dabei positiv zu diskriminieren. Zeigt Ihnen einfach, dass sie so sehr willkommen bei uns sind, wie jede/jeder andere auch. Hört ihnen zu.

Radfahren ist (nicht nur) für mich mehr als ein teures Hobby. Es ist eng verknüpft mit den riesengroßen Bereichen gesellschaftliche Teilhabe, Verkehrswende, Gesundheit, Kommunikation etc. Wir können es uns nicht erlauben, diese Themen nur untereinander zu besprechen. Wir, die wir das Radfahren lieben, müssen unsere Perspektiven erweitern.
Mit Freude stelle ich fest, dass immer mehr weibliche Perspektiven Einzug halten in den sonst so testosteronhaltigen Austausch. Mehr und mehr werden weibliche Fahrerinnen sichtbar gemacht. Beziehungsweise machen Sie sich sichtbar. Gut so.

In Podcast-Interviews kommen immer mehr Frauen auf dem Bike zu Wort, die Bike-Blogs von Frauen werden zahlreicher und auch sonst bereichern immer mehr Frauen die Bubble. Eine Entwicklung, die ich begrüße, ja sogar als dringend notwendig empfinde.
Beispiele von weiblichen Perspektiven über das Radfahren findest du zum Beispiel bei den Mitgliedern vom Kollektiv von The women all ride. Weiter so!


Doch damit will ich mich nicht zufrieden geben. Diversität ist nicht gleichbedeutend mit Frauenquote (manche denken das wirklich!). Dass in den Einladungstexten und Beschreibungen Gendersternchen genutzt werden, reicht dabei übrigens auch nicht.


Die Bike-Bubble darf kein exklusiver Club sein! Sie muss offen sein für jedes Mitglied unserer Gesellschaft. Aktuell sieht es allerdings nicht danach aus.


Den Spaß am Radfahren will ich hier niemandem verderben. Das kann ein einfacher Text in einem kleinen Blog auch gar nicht. Dafür ist das Radfahren viel zu geil. Aber den Vorwurf, sehr männlich und sehr weiß zu sein, dürfen wir uns als Community schon gefallen lassen. Vielleicht fällt es auch dir beim nächsten Event auf, wie wenig durchmischt wir sind, und vielleicht findest auch du es irgendwann langweilig. Wenn es soweit ist, dann stell dir doch die zwei am Anfang erwähnten Fragen: Warum ist das so? und Muss das so sein?

Besonders bei diesem Thema interessiert es mich, was ihr dazu zu sagen habt. Also hier die ausdrückliche Bitte, die Kommentarfunktion zu nutzen. 

8 Gedanken zu „Die Bike-Bubble darf kein exklusiver Club sein!

  1. Maaaaa, ich komm aus dem zustimmenden Nicken gar nicht mehr raus! So viele Gedanken, die ich (weisse hetero cis Frau) mir auch schon gemacht habe!
    Vor allem als Mit-Initiatorin einer unkommerziellen Long-Distance-Geschichte (der Schokofahrt, einer Tour von Amsterdam aus in unterschiedliche Städte, in meinem Fall nach München).
    Wir als Münchner Crew sind sehr weiss, eher männlich, zwischen 35 und 65 Jahre alt und eher gute Mittelschicht. Ich liebe die Crew, aber ich fände es so toll, wenn auch Menschen mit anderen Geschichten, Ansichten, Lebensentwürfen, Lebensumständen mit großer Selbstverständlichkeit dabei wären.
    Ich beschreibe mal unsere Gruppe:
    Viele von uns besitzen teure Lastenräder und teures Equipment, über das wir auch gerne fachsimpeln.
    Wir haben alle genügend Zeit für die ca. 10 Tage lange Tour.
    Fun fact: Die mitfahrenden Frauen sind keine Mütter, während die mitfahrenden Männer teilweise Väter sind.
    Wir trauen uns alle zu, 1000km zu radeln.
    Unsere Versuche, inklusiver zu sein: Aufteilung der Strecke in Staffeln, Teilen und Verleihen von Equipment und die Kommunikation, dass alle Fahrradtypen willkommen sind.
    Funktionierte bisher okay bis mittelgut…
    Ich glaube ausserdem, dass irgendwelche für die meisten Menschen unerreichbaren Superlative in der Öffentlichkeit immer mehr Aufmerksamkeit bekommen. Und das schreckt vermutlich viele Leute ab.
    Für mein kleines Instagram werde ich mir auf jeden Fall deinen Appell zu Herzen nehmen und noch mehr cooles Mittelmass präsentieren. Ich habe auch aufgehört, irgendwelche Marken zu verlinken. Es geht doch irgendwie nicht ums Equipment, sondern ums Radeln an sich. Wer radelt, ist Radler:in! Egal, wie teuer oder angesagt oder abgeschrabbelt und zusammengeschustert die Ausrüstung ist.

  2. Guten Morgen,
    Interessanter Artikel. Aber Radfahren ist nicht teuer.
    Alle anderen Verkehrsmittel außer zu Fußgehen sind deutlich teurer.
    Wichtig ist auf jeden Fall, sich ein gutes Rad, also keine Baumarktmöhre zu kaufen. Die gibt es aber im schon ab 800 Euro und die fahren bei guter Pflege gerne tausende Kilometer.
    Die einseitige Sichtweise auf weiß und männlich kannst Du aufbrechen, wenn Du mal z.B. bei einer Wuppertaler CM mitfährst. Die ist bunt und lebendig. Erstaunliche 500 bis 800 Teilnehmer:innen sorgen für ein breites Teilnehmerfeld.
    Und erstaunliche Fahrräder.
    Wünsche viel Spaß dabei.

  3. Weder im Breitensport, noch im Vereinstraining habe ich bisher irgendwo erlebt, dass in irgendeinerweise Frauen benachteiligt wurden. Bei RTFs findest Du den Prozentteil an Frauen, der halt auch so gern am Rad sitzt. Im Profibereich ist das etwas anders, weil dort Frauen oft weniger Prämien gezahlt wird.

    Bei der Ausrüstung sind halt Radfahrer nicht andes als überzeugte Autofahrer. Fast jeder träumt vom schöneren, besseren Fahrzeug. Shimano 105 hat jeder, kennt jeder, was soll man da groß drüber schreiben/reden? Neuerungen und Innovationen sind von Interesse.

  4. Ich stimme dir vollkommen zu, denke aber das die “Gründe” auch noch etwas anders sind. Ich hab das Gefühl, dass besagte Radevents auch vom Auftreten her eben weitestgehend für die “Kartoffeln” beworben werden. Gerade auch in den sozialen Medien werden die Veranstaltungen am Lautesten beworben, die in deine genannte Kategorie fallen (bzw. landen durch vermeintlich schlaue Algorithmen auch bei den immer gleichen Leuten). Soll heißen, es fahren durchaus sehr viele Leute Rad (auch in Gruppen und auch als Tour, als Beispiel wird ja auch die CM in Wuppertal benannt), sie reden aber nicht alle so laut darüber. Vielleicht auch, weil sie eben nicht den geilsten, neuen “Scheiß” haben bzw. das Geld nicht so locker sitzt, dass man sich alle paar Jahre wieder ein neues Radl kaufen oder zusammenbauen kann.

    Wie Anja Vorspel korrekterweise sagt, kostet Radfahren sicher nicht sehr viel Geld (auch wenn uns das die Industrie gerne vermitteln mag) – ich sehe aber auch 800 Euro schon als ziemlich viel Geld an, gute Gebrauchträder bekommt man deutlich günstiger (und ganz ehrlich, in den 90ern und Anfang der 00er-Jahre wurde echt gutes Zeug gebaut, das nach mittlerweile bis zu 30 Jahren immer noch top funktioniert). An der Stelle vertrete ich auch ganz klar die Meinung, dass man erstmal lieber gebraucht schauen/kaufen sollte (und das sage ich, obwohl ich es mir auch anders leisten könnte) – Thema Nachhaltigkeit und so ;). Oder eben ausleihen, sofern das möglich ist.

    Als ehrenamtlicher Helfer im Bellevue Radlkeller (Selbsthilferadwerkstatt im Herzen von München) kriege ich das Ganze auch dauernd mit. Wir bekommen ziemlich häufig Spenden von Leuten, die sich unbedingt ein neues Rad kaufen und ihre sehr guten alten Räder an uns abgeben (sind halt schon aus den 90ern und so). Das freut uns einerseits, da wir stark im Kontext der Geflüchtetenhilfe agieren und so auch vielen Leuten zu sehr guten Rädern verhelfen können, absurd ist es aber allemal und spiegelt letztlich doch auch das Ganze Dilemma wider. Einerseits gibts die “Industrie”, die uns neue Sachen verkaufen möchte (klar, ist ja deren Geschäft und will ich auch gar nicht zwingend kritisieren), andererseits gibts die (überwiegend männlichen und weißen) Gruppen, die das Ganze aufgreifen und in Form von Events auch kommunizieren und “leben”. Wer da also “nicht mithalten” kann, für den ist Hürde auf jeden Fall hoch und diejenigen werden eher abgeschreckt.

    Vielleicht muss man auch einfach kleiner ansetzen und nicht gleich “Events” draus machen. Ich hatte schon länger mal die Idee und werde es im Frühjahr auch konkreter angehen, dass wir mit unseren “Gästen” aus dem Radlkeller auch mal kleine Radrunden machen könnten (es gibt auch eine Laufgruppe im Bellevue di Monaco, da passt das Ganze gut dazu). Das wird dann nicht gleich “Gravel” oder “Bikepacking”, sondern einfach nur gemeinsam Radfahren, weil es Spaß macht und fit hält :).

    Danke für deinen Beitrag, regt auf jeden Fall zum Nachdenken bei (gerade auch in einer Großstadt wie München).

  5. Viele Gründe.. Fand mal bei FFM von nebenan.de Hinweis auf Whats-App-Gruppe. Viele Fahrten nur kurz angekündigt (Treffpunkt ungenau, von Wartezeit steht da nichts) meist 20 km. Ich vermute, alle mit Super-Bikes (also rel. schnell, modern usw.). Nie mal etwas, wie z.B. Kleiner Ausflug für gemütliches Tempo (mit Pausen, bzw. später mit Essen, Picknick). Gefühlt 90% junge Männer (Thorsten, Jürgen usw.) also klingt alles nach Kartoffel.

  6. Ich hab den Text erst jetzt entdeckt und finde Ihn sehr treffend, man muss eben leider doch auch aktiv sein damit sich überhaupt alle Menschen willkommen fühlen oder realisieren das Sie willkommen wären.

    Was mich stört ist “weiße Kartoffel”, “pinke Kartoffel” oder überhaupt “Kartoffel” als Bezeichnung für etwas anderes als Gemüse. Das kann man drehen und wenden wie man will, es ist eine rassistische Beleidigung. Dafür gibt es keine Argumente. Wenn doch frage ich mich warum ich nicht müde werde in meiner älteren Familie zu erklären das “Ne*er” eine Beleidigung ist. Auch wenn der Sprecher meint es nicht so zu empfinden.

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