Wort statt Taste – bitte jetzt das Tippen einstellen

sehr elegant diese Schaufensterpuppen
Aus einem Forum:
Frage: Hallo ich habe eine Frage an euch. Ich bin in einem jungen verliebt und möchte ihn das auch gerne zeigen aber das dumme ist ich kenn ihn nur per chat er war zwar mit ihm in der schule aber seit dem habe ich nur noch kontakt in chat mit ihm wie kann ich ihn sagen das ich ihn liebe ? 
 
Antwort: Naja also auf jedenfall musst du es ihm in einem guten Zeitpunkt sagen. Vielleicht verabredet ihr euch ja mal. Und wenn er die Liebe nicht erwiedern sollte, scheiß auf ihn 😀

“Ja genau dann scheiß auf ihn wenn er dich nicht liebt!” Man stelle sich das einmal vor!

Ich glaube ich schenke mir so etwas wie eine passende Einleitung, einen Aufhänger, auf den ich mich später wieder beziehen kann um diesen Text irgendwann mal abzurunden. Nein heute nicht!

Ich mag dieses Chatten nicht. Ich mag nicht wenn man sich lange Zeit kleine Botschaften hin und her schickt um Zeit nicht wirklich etwas zu sagen. Chatten ist ein einziges hin und her, ein oft belangloses zeigen: “ja ich bin noch da”. “hey ich hab zeit”

Chatten kann ja Sinn machen, vor allem dann, wenn man eben nichts mehr erwartet als eine stumme Berieselung und die Illusion von menschlicher Interaktion. Aber die Situation, dass ich einmal eine richtig erfüllende und tiefe Auseinandersetzung per Tastatur hatte war schon extrem selten. Allein lange und zusammenhängende Sätze zu tippen ist mir beim Chatten meistens zu anstrengend. Was ich sagen will kommt so oder so nicht wirklich an. Es fehlen Mimik, Stimme und meine hektischen Handbewegungen. Ich kann gerade mal halb so schnell sprechen wie denken, wie soll ich denn bitte noch schneller tippen was ich denke und gleichzeitig auch noch lesen? Wie soll das funktionieren wenn nicht mit knappen und abgekürzten Satzfetzen. Daher:  Kein Ausdruck – kein Austausch – keine Unterhaltung  mit Tiefe. Eine logische Abfolge.

Die meisten Chats finden statt aus einem einfachen Grund: Langeweile. “und auch online, wa?”. Langeweile ist allerdings keine wertschätzende Voraussetzung. Wenn ich mich mit jemanden auseinandersetzten will, jemanden zuhören und aufnehmen will was er oder sie mir mitteilen möchte, will ich das nicht aus Langeweile oder aufgrund von überschüssiger Zeit machen. (Ich gebe zu das mit der mangelnden Wertschätzung kommt ein bissl sozialpädagogenhaft daher, aber ich darf das jetzt)

Chat’s sind keine echten Gespräche. Da kann man mir sagen was man will. Chatten ist für mich eine einzige Beantwortung von Frage und Anfragen. Das Schlimme dabei ist, dass Chatten mehr und mehr den Anspruch eines realen Gespräches erhebt.

Eingangsfloskeln wie bei einer Unterhaltung “Hey” – “Na wie geht’s?” – “Was machst du so?”  oder Verabschiedungen wie: “Also ich muss dann mal..” – “Sorry ich muss gleich weg” – “Machs gut, bis zum nächsten mal” das vorsichtige Herantasten und behutsame Verabschieden, sollen die ganze Geschichte wohl aufwerten zu einer realeren Sache als es tatsächlich ist: Zu einem tatsächlichen Gespräch. Dabei gibt es doch gar kein wirkliches “nächstes Mal”, wie ein “nächstes Mal” an dem man sich zufällig an der Bushaltestelle begegnet. Wir sind doch sowieso schon den ganzen Tag online. Denn ganzen Tag vernetzt und miteinander Verbunden. Ich denke dabei nicht nur an Facebook, sondern auch an die ganzen Nachrichten die ich unterwegs erhalte und beantworte.

Dabei kann ich doch ohne die tatsächliche, körperliche Anwesenheit meines “Gegenübers” gar kein echtes Gespräch führen. Ohne Blickkontakt, Berührungen, Zurückweichen, nach vorne Beugen, lauter und leiser Sprechen oder Schweigen und dennoch anwesend sein wird ein Austausch auf weniger als die Hälfte oder sogar weniger reduziert. Gespräche sind mehr als nur der Austausch von inhaltlichen Äußerungen.

Doch leider fühle ich mich immer öfter genötigt einen Chat wie ein Gespräch zu behandeln. Meine ewige Verfügbarkeit für all diese Menschen zu jeder Zeit macht mich unfrei. Ich will mich nicht entschuldigen müssen wenn mir einfach nicht nach einem Plausch ist. Im echten Leben kann ich zu jemanden sagen: Hey ich will schnell zu dem Anderen Individuum rüber gehen und mit dem eine Unterhaltung führen. Das ist dann auch in Ordnung. Doch mein Status “online” scheint eine Einladung für alle zu sein. Ein grüner Punkt der suggeriert: “Ich bin hier, spreche mich an.”

Zu guter letzt möchte ich auch noch eines loswerden. Diese ganzen Möglichkeiten der Vernetzung sind schön und gut. Aber für mich nur interessant wenn ich meine Interaktionspartner auch im echten Leben kenne und auch im echten Leben ein Bedürfnis verspüre mich mit ihnen auseinander zu setzten. Also sprech mich an  bevor du mich anschreibst.

Ich will jetzt nicht hören: “dann geh halt offline” oder “meld dich halt ab“. Klugscheißer! Das Verweigern und der komplette Rückzug sind kein wirklich konstruktiver Vorschlag – niemals. Also lieber die Altkluge Klappe halten.

Genau wie dieser Text sollten auch Chats keine Einleitung und keinen Schluss haben deswegen hör i…

Ein Gedanke zu „Wort statt Taste – bitte jetzt das Tippen einstellen

  1. Ich kann das gut verstehen, auch wenn ich dich nicht sprechen höre;-)
    Man versteht das Gegenüber im Chat eben ganz anders, weil die Chatperson eben doch nur halb anwesend ist. Ihre Gestik, Mimik, Euphorie, Empathie, Lachen, Aufregung,Wut, Trauer und zu guter letzt die Stimme der individuellen Stimmfarbe bleiben komplett aus.

    So kommt es häufig vor, dass sich Leute eben “missverstanden” fühlen, oder Dinge auf die Goldwaage gelegt werden, die für den anderen gar nicht so eine große Bedeutung haben bzw. etwas ganz anderes sagen wollen.
    Dies wiederum ist davon abhängig, wie gut ich die angechattete Person kenne. Und ich würde behaupten selbst bei besten Freunden kann das Gelaber im Chat schief gehen auf Grund des oben Genannten.
    Die Frage ist nur: “Warum lässt man es dann nicht ganz einfach und nutzt andere Wege?!”
    Vielleicht, weil man nicht reden kann….., – möglich?!
    Vielleicht aber auch, weil es zu unserer postmodernen Zeit dazu gehört?! – just in case!
    Vielleicht aber auch, weil man etwas verbergen möchte, was man nicht zeigen will?- Wer weiß?!
    Vielleicht,……………..

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