Die Rückengeschichte

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„Der Mensch gehört nicht in die Wildnis
Das ist wieder der Natur
Der Mensch gehört in eine Wohnung
mit einer Sofagarnitur“
Kreisky

Die Natur hat wieder gerufen und sie hat es oft getan. Eine große Aktion wie Norwegen oder die Überquerung der Alpen hat dieses Jahr leider nicht sein sollen. Zu viele andere Pläne, Termine und zu wenige gemeinsame Urlaubstage.

Wir wollten aber dennoch was machen. Irgendwas halt. Wahlweise in der Natur. Was draußen erleben was der Plan und deshalb kam Lennart vom Süden in den Norden. Dieses Naturschutzgebiet mit dem Namen „Lüneburger Heide“. Da soll es doch schön sein und da kann man sicher super wandern. So wurde es auch gemacht.  Das Zelt, die warmen Schlafsäcke, und die langen Unterhosen eingepackt und massenweise Essen in den Rucksack gestopft.

Einkaufen vor dem Wandern macht ja meistens Spaß. Spaß macht es auch wenn man so herumläuft, dass es recht eindeutig ist was man so vor hat. Zwei junge Männer die mit Campingausrüstung durch den Supermarkt laufen und Sachen in den Einkaufswagen legen wie: zwei Flaschen Rotwein und ein Kerze. Von der Dido CD und dem Masageöl haben wir dann doch die Finder gelassen. Das wäre dann doch den kurzen Spaß an der Zweideutigkeit nicht wert gewesen.

In die Natur ist es nicht weit. Auch nicht von der großen Metropole Hamburg.
Etwa eine Stunde Bahnfahrt und wir stehen am Anfang unseres Weges. Wir laufen los in die Dämmerung. Schön ist es dort. Wald und Heide wechseln sich ab und wir freuen uns darüber. Im November und erst recht in den Abendstunden ist hier keine Seele weit und breit.

Das Zelten ist im Naturschutzgebiet nicht gestattet, daher müssen wir heimlich uns ein stilles Versteck suchen. Im Dunkeln bauen wir unser Nachlager auf und im Dunkeln wird gekocht. Oh wie schön die Natur doch ist. Auch wenn man sie nicht sieht. Wie schön es doch ist in einem Zelt sein Refugium zu finden. Es ist Wundervoll.

Eine schöne Nacht im Zelt. hatten wir da. Die Nudeln waren lecker, auch wenn man sie im echten Leben niemals lecker finden würde. Fertiggerichte sind wirklich nur für einen Gaskocher gut. Der Rotwein schmeckt auch und da wir die letzte Nacht nur 4 Stunden geschlafen haben holen wir das schnell und tief nach.

Um sechs vibriert der Handywecker. Es ist dunkel und das ist gut so. Schließlich sind wir heimlich hier. Wie Lennarts neues Zelt aussieht weiß ich bis heute nicht. Als die Sonne langsam die Landschaft auf Graustufen allmählich in Farbe und Licht taucht sind wir schon lange auf dem Weg. Frühstück gibt es erst wenn es hell ist.

Kurz vor dem Frühstück geht es los. Der Schmerz fährt langsam aber stetig in den Rücken. Schon Anfang des Jahres und vor einem guten Monat hatte ich mit meiner krummen Wirbelsäule zu kämpfen. Und so kriecht de Schmerz und die Blockierung immer weiter in den Rücken und spätestens bei der Kaffeetasse mit Haferflocken wird klar: Das wird ein ätzender Tag.

Als wir weiterlaufen kann Ich nur nur noch gebückt kleine Schritte machen. So weit es geht versuche ich mit Hilfe der Wanderstöcke voran zu kommen. Nach zwei endlosen Kilometern und zahlreichen Pausen müssen wir konstatieren: Wir werden abbrechen. So kann ich keine weiteren 30 km laufen. Da hilf auch kein Rücksack Ausleeren und auch die gute Schmerztablette nichts.

Nur auch das Abbrechen muss erst einmal geschafft werden. Zum nächsten Ort sind es noch einige Meter. Lennart fängt an den Wein zu trinken. Um zehn Uhr morgens. Sparen müssen wir nicht und alles was was nicht auf dem Rücken liegt ist gut verteiltes Gewicht. Ich beneide ihn, doch mit meiner Tablette im Magen möchte ich heute keinen Quatsch machen.

10 Kilometer sind es bis zum nächsten Ort. Fragt mich nicht wie ich das geschafft habe. Wie ein 90 jähriger Krüppel und in einem Tempo das irgendwo zwischen drei Stundenkilometern und Stillstand liegt. Immer wieder: Pause.

Irgendwann erreichen wir doch Wilsede. Einen Ort mitten im geschützten Naturgebiet. So sehr geschützt, dass Autos hier nicht gestattet sind. Wir haben November und wenn man hier weg will und keine weiteren 10 Kilometer laufen kann oder will muss man sich eine Kutsche bestellen. Die braucht eine Stunde bis sie da ist und kostet etwa drei mal so viel wie ein Taxi. Aber die sind hier in dieser Idylle ja auch verboten.

Nach einem Kaffe auf der großen Maschine, also Ihr wisst schon die  Maschinen die den der Kaffe über Stunden hinweg warm gehalten und dessen Aromen immer weiter verbessert werden, kommen Franzi und Heidi. Zusammen mit einer Frau die mit Pferden sehr viel besser umgehen kann als mit Menschen. Mir ist alles recht. Hauptsache keinen Meter mehr gehen. Ab geht die wilde Fahrt auf weichen Decken über hartes Pflaster. Bis zum nächsten Ort mit Busanbindung.

Die Bushaltestelle erinnert uns schnell daran, dass wir hier im Niemandsland sind. Samstags erst recht und in der Nebensaison Anfang November erst recht recht. Da fährt gar nichts. Ich müsste zwar mit meinem Semesterticket nichts bezahlen aber das hilft mir heute nicht weiter.

Wir haben in unseren jungen Jahren schon mal einen Urlaub bestritten, mit dem Daumen. Per Anhalter sind wir aus Bayern bis nach Flensburg gekommen. In 24 Stunden. Da müssen wir doch auch von hier wegkommen. Alle 5 Minuten kommt hier ein Auto vorbei. Auch ein Mercedes. „Vergiss es“ sag ich noch,  „ein Mercedes hat noch niemals einen Anhalter mitgenommen“. Hat er er dann doch. Überraschung. War aber auch ein sehr altes Auto.

Der nächste Bahnhof ist nicht weit und die Autofahrt ist nett. Sie sind doch manchmal herzlich, diese Norddeutschen. Nur der Zug ist schon weg. Der nächste kommt in 2 Stunden. Wie gesagt: Niemandsland.

Also heißt es. Reiskochen auf dem Bahnsteig. Als nächstes: Kaffe Kochen auf dem Bahnsteig. Für mich heißt das allerdings eher: Auf der Isomatte liegen auf dem Bahnsteig und unnötige Bewegungen vermeiden auf dem Bahnsteig. Parallel dazu: Weintrinken auf dem Bahnsteig. Beziehungsweise für mich gibt es noch eine Schmerztablette. Die hilft zwar nichts aber macht irgendwie Spaß.

Wie es weiter geht:
Irgendwann sind wir doch tatsächlich zuhause angekommen. Dort erwartete mich ein „mystisches Kleopatrabad“. So steht es zumindest auf der Packung. Ein sportliches musclerelaxingbath hatte ich leider nicht im Haus.

Die Notaufnahme kann mir nicht wirklich weiterhelfen. Außer ein Schmerzzäpfchen ist hier nichts zu holen. Ein Orthopäde, der Sonntags Sprechstunde hat gibt es auch in Hamburg nicht.

Im Laufe der kommenden Woche und nach einigen Kleopatrabädern, noch mehr Schmerzmitteln, vielen Stunden im Bett, einem Orthopäden der aussieht wie Reinhold Messner aber nichts kann, war ich doch bei einer richtig guten Rückendocktorin. Die hat mich tatsächlich eine Woche aus dem Verkehr gezogen und mir Krankengymnastik verschrieben.

So nimmt diese Geschichte hoffentlich doch bald ein gutes Ende. Warum ich sie aufgeschrieben habe? Ich fand das Ganze doch sehr aufregend.

Ein gesunden und aufrichtigen Tag wünsche ich euch. Mögen eure Beine euch durch eine erfüllte Woche tragen.

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