Darauf sollten wir (auch 2017) verzichten

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Foto by Julia Müller: designerstueck.co

Wir schreiben immer. Wie selbstverständlich kommunizieren wir immer mehr über geschriebene Wörter und gleichzeitig immer weniger über Gespräche von Angesicht zu Angesicht. Das kann man bemängeln. Denn schließlich kann keine schriftliche Korrespondenz den Austausch in der stofflichen räumlichen Welt ersetzen. Höchstens ergänzen. Doch gejammert wird schon genug. Einigen wir uns darauf, dass ein schriftlicher Kontakt immer noch besser ist als gar keiner.

Ich tu mir mit dem Austausch mittels geschriebener oder besser getippter Wörter schwer. Mich stresst der Druck immer öfter eine Nachricht auf meinem Handy beantworten zu müssen und das auch noch möglichst zeitnah. Auch wenn ich mich täglich oder besser stündlich, vielleicht sogar durchgehend an den kommunikativen Möglichkeiten meines smartphones erfreue, so ärgere ich mich gleichzeitig über den sozialen Druck der von diesem kleinen Gegenstand ausgeht. Doch ich grüble nicht nur über den Druck, den ich aufgrund dieser empfangenen und Beantwortung begehrende kurzen Nachrichten verspüre. Auch der Inhalt der mir zugesandten Nachrichten bietet mir Anlass meine Überforderung kund zu tun.

Meine Antworten fallen meistens knapp und sachlich aus. Ich kann nur mit großer Mühe ausführlicher antworten, als ich dies jetzt zu tun pflege, wenn ich die Reaktion des Empfängers meiner Nachricht eh nicht unmittelbar an Gesicht und Gestik ablesen kann. Da ist mir eine aufwendig ausformulierte Antwort häufig einfach nicht die Mühe wert. Wenn ich mich ausführlich und umfassend Äußern wollen würde, so bräuchte ich sehr viel mehr Zeit und auch Energie. Da ich beides nicht immer im gebotenen Maße aufbringen möchte, bleiben meine Textnachrichten meist knapp, sachlich und eindimensional.

Um die mangelhaften Möglichkeiten von emotionalen Äußerungen oder Ergänzungen etwas auszugleichen bedienen sich immer mehr Menschen der Emoticons.

Emoticons sind eine wirklich seltsame Sache. Um unsere Gefühle und Empfindungen auszudrücken bedienen wir uns doch tatsächlich einer vorsortierten Palette an gelben dicken Comicgesichtern. Ich finde das falsch.

Meine Emotionen sind vielschichtig und komplex. Nicht einmal ich selbst kann mich und meine Gedanken- und gefühlswelt immer einordnen oder sortieren. Wie soll bitte eine Vorauswahl aus Gesichtern bei der emotionalen Unterstreichung meiner Aussagen helfen. Hinzu kommt, dass selbst wenn mich festlegen könnte, was meine vorherrschende Emotion ist, dann könnte ich immer noch nicht sagen, welche Mimik hierzu passen soll. Manchmal lache ich unfreiwillig oder um nicht weinen zu müssen. Manchmal schaue ich betroffen und traurig um Empathie zu simulieren bin aber in Wirklichkeit super drauf. Mimik ist eine Komplexe Sprache. Ein weitreichendes Sprachsystem, das alles andere als kulturell übergreifend oder universell sein kann. Mimik ist all das was Emoticons nicht sind.

Emoticons sind eine Lüge. Oder vielleicht besser: Sie sind die Bildwerdung unserer verlogenen Unterhaltungen. Phrasen und Plattitüden in gelb. Die Visitenkarte einer fantasielosen Gesellschaft. Unsere Unterhaltungen werden mehr und mehr zur eindimensionalen Plastikabildung unseres echten Lebens. Kann man das wollen? Ich will das nicht. Meine Emotionen sind nicht aus Plastik und lassen sich nicht ansatzweise durch dicke, gelbe Stereotypen simulieren. Ich benutze keine Emoticons und freue mich über jedes Gegenüber welches auch so verfährt.

Doch unsere schriftlichen Unterhaltungen  müssen nicht sachlich nüchtern und kalt aussehen. Humor, Sarkasmus oder Emotion lassen sich auch durch gebildete Sätze ausdrücken. Und das sogar umso präziser und individueller. Das ist es doch was wir alle wollen. Individuell sein.

Bildet Sätze. Ganze Sätze.

Drückt euch eigenständig und selbst aus. Auf eure Art, mit euren Worten. Nicht durch standardisierte Symbole.  Wenn euch das schwer fällt ruft euch an. Sprecht. Macht Pausen, stottert oder ringt um die richtigen Worte. Drückt euch falsch oder ungenau aus. Das ist mir alles lieber als diese dummen gelben hässlichen Fratzen zu sehen. Von mir aus könnten wir sehr viel öfter das Handy im Nebenraum liegen lassen.

Wer bin ich Ansprüche an die Sprache meiner Mitmenschen zu stellen? Dieser Blog ist das lebende Beispiel für eine groteske Rechtschreibung. Mir ist das klar. Vielleicht ist dieser Artikel einfach als guter Vorsatz zu verstehen.

Morgen Abend feiert die Welt Silvester. Ich  werde ich mein Handy ausschalten und mich mit den Menschen unterhalten mit denen ich mich umgeben werde. getippt wird erst wieder am 1. Januar.

 

Trinkt nicht zu viel und küsst euch behutsam.

See you on the other side.

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