Velo La France – Ein Reisebericht – Teil 7 und ein Video

Fortsetzung von Teil 1, Teil 2 ,Teil 3 ,Teil 4 ,Teil 5 und Teil 6

Tag 6 : Das große Finale

Es sollte nicht trocken bleiben. Ich wache auf gegen 5:30 Uhr, als sich ein Platzregen ankündigt. Der Wind pustet fleißig Wind um meine Rübe und auch die ersten Tropfen kommen vom Himmel. Ich springe auf und schllüpfe in meine breitgelegten Regensachen. Ich hatte da ja so einen Ahnung. Innerhalb von 2 Minuten stehe ich reisebereit an die Hüttenwand gedrückt. Die Regentropfen prasseln fleißig nieder.

So schnell und heftig wie der Platzregen gekommen ist so schnell ist er wieder weg. Nach 30 Sekunden ist der Spuck vorbei. Es hat aufgehört zu regnen und sollte auch nicht wieder anfangen.  Ich stehe jetzt da. fertig angezogen. Wie bestellt und nicht abgeholt. Hell wird es auch allmählich. Ich kann auch gleich los fahren. Das mache ich auch.

Ich fahre los. bis zu meinem Ziel München sind es etwa 230 Kilometer. Nicht wenig aber realistisch. Machbar. Ich schalte wieder um auf Autopilot und trete los. Kilometer fressen. Kilometer für Kilometer.

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Meine Schmerzen im Schritt sind mittlerweile nur noch schwer zu ertragen. Wenn ich gleichmäßig trete und mich ansonsten wenig bewege geht es. Doch so funktioniert Radfahren nicht. Immer wieder muss man anhalten, abbremsen oder das Gewicht verlagern. Immer dann wenn ich die Sitzposition nur minimal veränderte zieht mir ein stechender Schmerz durch den Körper.

Auch wenn Schmerzen ein Warnsignal des Körpers darstellen entschließe ich mich mich einer Schmerztablette zu bedienen. Wunder als jetzt kann ich nicht mehr werden und wenn sich meine Schmerzen nicht bessern schaffe ich es nicht nach hause. Egal ob heute, morgen oder in einer Woche

Durch die Tablette sind die Schmerzen nicht weg, doch wenigsten sind die Spitzen etwas reduziert. Weiterfahrt ist möglich.

Was den Weg angeht, kann ich mich an den letzten Tag kaum mehr erinnern. Zu weite war die Strecke und zu wenig war ich noch aufnahmefähig für die unzähligen Eindrücke, die ich ohnehin wegen ihrer Menge nicht mehr in der Lage war zu verarbeiten.

Ich erinnere mich an ein Frühstück in einem Touristenort, eine zerrende Anhöhe bei Göppingen, einen Stop  in einer Dönerbude, Hitze, verlassene Dörfer, eine Waldwirtschaft in der ich trotz Ruhetag ein Getränk kaufen konnte, schrumpfende Kilometer.

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Mit jedem Kilometer wächst die Freude auf das Ankommen. Ich trete einfach durch. Ich trete und und trete. Plötzlich stelle ich feste, dass ich 90 Kilometer durchgefahren bin ohne nennenswerte Pause gemacht habe. Meine Beine sind aufgepumpt wie die Schwimmtiere in den Freibädern, an denen Ich vorfahre. Einfach nur weiter treten. Dem Ziel entgegen. Das Ziel naht. Eine seltsame Stimmung umgibt mich, als ich durch Orte Fahre, die ich kenne. Als zum ersten mal München ausgeschildert ist kann ich mein Glück kaum fassen.

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Eine Letzte Pause in einem Biergarten. 50 Kilometer vor München. Alkoholfreies Weißbier ein letztes mal Navi an die Steckdose hängen. Ein letztes mal wieder auf das Rad steigen. Ein  letztes mal einen Platten Flicken. Platten nummer 11 ! Elf Platten. Ich könnte nicht mehr aufzählen wo ich überall Reifen geflickt habe in den letzte sechst Tagen.

Irgendwann wird es dunkel, ich fahre in den Münchner Speckgürtel ein.  Irgendwann bin ich bereits im S-bahn bereich. Das Ziel vor Augen, der Weg in den Beinen. Endlich in München. Meine Beine sind leer. 5 Kilometer vor der haustüre trinke ich noch eine Spezi an der Tankstelle um nicht umzukippen. Ich baller das jetzt durch. Ich will jetzt heim.

Um 22:15 Uhr biege ich in meine Straße ein. Da hinten wohne ich. Bin gleich da. Lächerlich wie wenig Meter das nur nich sind. Wo sind die Kilometer hin? Ich läute, schiebe mein Rad in den Aufzug. Blicke im Spiegel ein ein müdes glückliches Gesicht. Schiebe mich und mein Rad durch die Wohnungstüre. Halte die Freundin im Arm und muss weinen. Ich  bin wieder zuhause.

 

Tageskilometer: 210 km – Kilometer bisher insgesamt: 1130 km

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Was bleibt? Was ist jetzt?

Ich könnte jetzt aufzählen welche Leeren ich gezogen habe, Was ich beim nächsten Mal anders und was genauso wieder machen würde. Das ich nicht mehr ohne Nabendynamo losfahren würde oder eine dritte Trinkflasche montieren würde. Doch das ist mir zu technisch, zu plump. Was bleibt nach einer solchen Reise wirklich hängen?

Die nächsten Tage verbringe ich viel auf dem Sofa. Essen und Schlaf nachholen. Ich habe immer hunger und bin immer müde. Während in meinem Kopf die Erinnerungen pulsieren. In erster Linie bin ich natürlich stolz. 1130 km in sechs Tagen sind eine starke Leistung. Natürlich geht auch noch mehr, noch schneller. Das überlasse ich anderen.

Was mir bleibt sind dicke Beine und eine latente Überforderung mit den Dingen des Alltags.

In der letzten Woche drehte sich alles um wenige Dinge.

  • Wie weit bin ich schon gefahren und wie weit fahre ich heute noch?
  • Wo finde ich Wasser? Wo Finde ich Essen? Wo finde ich Strom?
  • Was macht mein Körper?
  • Wo ist der Weg?

Um diese Fragen drehte sich meine Aufmerksamkeit. Das war mein Kosmos. Meine Blase. Jetzt wieder mit meinem normalen Leben konfrontiert zu werden überforderte mich zu Beginn. Außerdem weine ich ab und zu mal. Einfach weil ich alles schön finde. Ich immer wieder von der Schönheit des Lebens überwältigt.

Weiter bemerke ich, eine tiefe Gelassenheit in mir. Ich fühle mich nicht nur auf dem Rad unbesiegbar, auch in meinem Alltag umgibt mich vermehrt eine Ruhe und Besonnenheit. Klar geworden ist mir kurz gesagt eines: Radfahren macht glücklich.

 

 

Tag 6: auf Strava: www.strava.com 

Das Video

Ich habe während der Reise immer wieder mal meine Kamera angeschaltet. Hier ist das Ergebnis. Zu sehen sind 12 Minuten ein radfahrender Jo. Macht vor allem dann Sinn wenn man zuvor diesen Bericht gelesen hat.

[vimeo 225387088 w=640 h=360]
<p><a href=”https://vimeo.com/225387088″>Velo La France – a long distance bikepacking movie – 1130 km in 6 days</a> from <a href=”https://vimeo.com/user2696669″>jo leitenmaia</a> on <a href=”https://vimeo.com”>Vimeo</a>.</p>

 

 

9 Gedanken zu „Velo La France – Ein Reisebericht – Teil 7 und ein Video

  1. Hallo Jobinski, Joachim, Jo – was eine Tour! Super gefahren, mutig berichtet. Ich wünsche Dir weiteres gutes Runterkommen und noch viele solche schöne Ideen 🙂

    1. Ich bedanke mich herzlich für deinen freundlichen Kommentar. Schön, dass mein Bericht so gut angekommen ist. Ideen für weitere Touren gibt es natürlich schon. Dir wünsche ich alles Gute. Keep up

  2. Hi Jo. I don’t understand german. Ich habe alle vergeßen.
    I ve just watch your video. It’s really great. Congratulations
    Currently riding in the west of France. I left from Orleans to nantes, then across brittany to pontivy then saint brieuc and back on the left to Mont Saint Michel, Caen. I am in Le mans today and back to Orléans tomorrow.
    Thank you for sharing your experience

  3. Was ein absolut ehrlich, motivierend und zugleich mitfühlender Bericht. Bin letztes Jahr ebenfalls durch normandie, piccardie, champangie und elsass gerollt… und deine Phase des emotionalen Umbruchs. Ich kann da nur schwer mitfühlen. Danke

  4. Hi Jo,
    Langstreckenradeln interessiert mich und so landete ich auf deinem Blog. Ich bin fasziniert von deiner Reisebeschreibung, deinen Eindrücken und Gedanken sowie von deinen Gefühlen an dem du den Leser teilhaben lässt. Deine Reisebeschreibung liest sich ehrlich, schnörkellos und ist in Wörter gekleidet, die mich gefesselt haben. Du hast mich bestärkt mich mal auszuprobieren, um zu erfahren wie sich eine solche Tour anfühlt. Ok, keine 1000km zum Anfang und trainieren werde ich auch noch müssen, aber der Startplatz ist Kopf bereits gebucht. Danke dafür und dir eine gute Fahrt, wo auch immer! LG aus HH,

    1. Lieber Ralph! Ich danke dir für deinen lieben und wertschätzenden Kommentar. Ich wünsche dir viel Freude auf deinem Weg zur Langstrecke, wie auch immer diese aussehen und entlang führen wird. Am besten einfach los fahren und Kopf ausschalten. Liebe Grüße aus München

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