Ein weltweiter Wettbewerb – Bilder und Text.

Hier seht Ihr einige Bilder aus meinem letzten Urlaub in Israel. Alle Bilder stammen aus meiner Minolta X700 und sind urheberrechtlich geschützt.

Weiter unten findet ihr auch einen Text zu dem ich auf diesem Urlaub inspiriert wurde. Ich wünsche angenehme Unterhaltung. Euer Jobinski.

Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.

Augustinus Aurelius

Jetzt sitzen wir also hier, auf durchgesessenen Ledersesseln. In der Hand hält jeder von uns beiden eine Flasche. Aus einem großen Kühlschrank mit einer Glastüre, auf dem ein Zettel mit einer Strichliste klebt. Wir sind in einem Aufenthaltsraum eines beliebigen Backpacker Hostel, in irgendeiner Stadt, in irgendeinem Land, das sehr weit weg von unseren jeweiligen Meldeadressen liegt. Wo genau ist für diese Geschichte vollkommen egal.

Du bist hier, um dich selbst und den Sinn deines Lebens zu finden. Ich bin hier, weil ich vor meinem Leben flüchten möchte.

Du hast dich dazu gesetzt – einfach so und ganz spontan – und so sind wir gerade dabei ins Gespräch zu kommen.

Es wird folgendermaßen ablaufen: Als Erstes werden wir darüber reden, wie wir heißen und woher wir kommen. Dann darüber, wie lange wir schon unterwegs sind und als Nächstes darüber, was wir schon alles erlebt haben, auf unser Reise zu uns selbst oder auf der Flucht vor eben diesem. Wobei eine tatsächliche Antwort auf die Frage, was wir erlebt haben, eher ausbleiben wird. Es wird vielmehr eine Aufzählung folgen. Eine blumige Aneinanderreihung von entlegenen Orten, Kontinenten und Reisezeiträumen.

Und noch ehe wir an dem Punkt des mir allzu bekannt vorkommenden Gesprächs angekommen sind, an dem wir von unseren höchsten Gipfeln, unserem tiefsten See, dem schlechtesten Wetter, dem wildesten Urwald oder der heißesten Wüste berichten, stelle ich erneut fest: Reisen ist längst zu einem inoffiziellen weltweiten Wettbewerb geworden. Teilnehmen kann jeder, der oder die mit einem Rucksack unterwegs ist. Pauschalreisende sind vom Wettbewerb ausgeschlossen.

In folgenden Kategorien gilt es zu punkten: Längste Reisezeit, häufigste authentische Begegnungen mit Einheimischen, größte überwundene Gefahr, die Anzahl der Stempel im Reisepass und umfangreichstes Halbwissen und Hörensagen über fremde Kulturen.

Wer hier nicht vorne mitspielt, muss wenigstens spannende Trinkgeschichten mit anderen Reisenden erzählen können. Wer keine Geschichten parat hat, ist langweilig – das weiß hier jeder. Und wer nach 14 Stunden in einem Reisebus nicht wenigstens bis 3 Uhr morgens durchgefeiert hat, der hat nichts erlebt beziehungsweise ist nicht wirklich auf Reisen. Reisen heißt erleben und zwar viel. Je mehr, desto besser. Es heißt berichten zu können von vielen außergewöhnlichen Situationen und Abenteuern, und außerdem heißt es andere auf das Erlebte neidisch zu machen.

Ich persönlich muss mich recht schnell geschlagen geben in unserem Wettstreit um den „goldenen Lonely Planet“. Ich habe eindeutig zu wenig erlebt. Ich war noch nie in Kambodscha und schließlich gehört Kambodscha zum Basisrepertoire aller Backpacker. Das kleine 1×1 der Reisenden beginnt mit K. Wer sich selbst sucht, muss nach Kambodscha. Allerdings nur an die Orte, wo es „weniger touristisch“ zugeht. Das ist ganz wichtig. Sonst kannst du gleich Urlaub im Sauerland machen oder auch Zuhause bleiben.

Während ich also unser Duell um die Welt innerlich aufgebe und dich von mexikanischen Drogendealern und Gefängniszellen erzählen lasse, schicke ich nebenbei ein Bild von mir – in Wanderschuhen und im Dickicht stehend – durch einen Filter namens „Jungle“ meiner Bildbearbeitungs-App für Unbegabte.

Bevor ich es hochlade, untertitele ich das Bild mit einem tiefsinnigen Spruch. Irgendsowas wie: „get lost. you may find yourself“ oder „Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.” Dann noch die wichtigsten gängigen Hashtags. Wenn ich schon hier, im zur Arena gewordenen Gemeinschaftsraum, nicht abräumen kann, dann kann ich wenigstens meinen Bekanntenkreis in der heimatlichen Ferne neidisch machen.

Unsere Reisen sind immer mehr durchgekocht und überlagert von einer überromantisierten Vorstellung, wie das Erleben von „Fremde“ auszusehen hat. Und da es allerdings in fremden Ländern nicht immer so aussieht, klingt und riecht wie in den Filmen „Into the wild“ oder „Eat pray love“, muss es eben gefiltert werden.

So werde ich – wie alle Backpacker – für den Zeitraum meines Jahresurlaubs zum Abenteuer-Reporter, Travel-Blogger und Glückskorrespondenten. Es wird gebloggt und geupdated, was der Wifi-Hotspot hergibt. Während das mitgebrachte Tagebuch, das ich doch vollschreiben wollte, mit all den Erkenntnissen und Erlebnissen bereits nach 4 Seiten leer bleibt. Vor lauter Berichterstattung über exotisches Essen bleiben die Erlebnisse für das Tagebuch aus. Stattdessen baller ich unzählige Bilder von Sonnenuntergängen, Obstverkäufern, exotischen Tieren, Cocktails mit Schirm und ausgefallenen Mahlzeiten in den Orbit. Nur um das romantische Bild von „Ferne“ weiter zu erhalten. I am a wandering soul.

Über die dreckigen Duschen, die Knappheit an frischen Unterhosen, die Streitereien mit dem Reisepartner, den haarigen Zimmergenossen im 10-Bettzimmer, der sich durchgehend am Hintern kratzt, den Brechdurchfall oder über überzogene Kreditkarten berichtet niemand.

Reisen ist wunderbar. Es bildet uns, es erdet uns, es fordert uns. Es wäre nur noch wunderbarer, wenn diese anderen Backpacker nicht wären. Backpacker lösen das, was sie sich selbst versprechen, nicht ein. Wer sich selbst finden will, sollte sich nicht jeden Tag mit Gleichgesinnten vergleichen, sondern sich mit dem beschäftigen, was er sucht. Mit sich selbst – unabhängig von seiner oder ihrer „travel bucketlist“.

Und wer seinem normalen Leben entkommen will, sollte aufhören, in seinem Urlaub das zu tun, was er Zuhause auch tun kann. Netflix und Instagram sind dazu da, den Alltag zu zerstreuen. Im Urlaub braucht das eigentlich niemand.

All das denke ich, während ich meinen eigenen Instagram Feed herunter wische und mir tatsächlich denke: I am a wandering soul.

Du hast dich mittlerweile von mir ab- und einem interessierteren Weltenbummler zugewendet. Jennifer aus Bitterfeld. Die ist schon seit drei Jahren unterwegs – ohne Geld und ohne Plan. Und auf ihrer Suche nach sich selbst schon fast angekommen. Der goldene „Lonley Planet“ geht heute an Jennifer.

Ich schalte mein Handy aus. Die gerätgewordenen Probleme meines Alltags landen in meinem Rucksack ganz unten. Stattdessen ziehe ich mein Tagebuch hervor und schreibe das auf, was ich die letzen zwei Wochen erlebt habe. Ich schreibe weiter und weiter und stelle währenddessen fest: So wenig war das ja gar nicht

7 Gedanken zu „Ein weltweiter Wettbewerb – Bilder und Text.

  1. „Nur wo du zu Fuß, mit dem Flugzeug, dem Maulesel oder dem Kreuzfahrtdampfer warst, bist du auch wirklich gewesen.“ – Johann Wolfgang von Goethe

    Geiler Text. Chapeau. Könnt man direkt drucken lassen. Zieht halt nur nicht so.

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